Erschienen: 8. Oktober 2010 für PS3 und Xbox360
Alterseinstufung: USK ab 16
Ein gewisser Trend zur Inspiration durch Buch- oder Romanvorlagen für neue Videospiele ist nicht von der Hand zu weisen. Auch Enslaved: Odyssey to the West von den Machern von Heavenly Sword, Ninja Theory, bedient sich an einer bekannten Erzählung, die weltweit wohl durch die animierten Abenteuer von Dragonball am bekanntesten sein dürfte. Doch den Entwicklern ist es hier tatsächlich gelungen, mehr als eine uninspirierte Nacherzählung zu schaffen, sondern einen der besten Actiontitel des reichhaltigen Spielejahres 2010.
Dabei beginnt das Abenteuer recht wirr: Gefangen in einem körperengen Gefängnis an Bord eines Sklaven-Raumschiffes bricht auf einmal die Hölle los. Glück im Unglück, dass sich Hauptprotagonist und Spielfigur Monkey durch diese chaotischen Umstände befreien kann. Seine einfach gestrickten Gedanken kreisen aber nicht nur um die rettende Flucht, sondern auch um die Verfolgung einer unbekannten, rothaarigen Schönheit. Springend, kletternd und kämpfend schlägt sich der Hüne bis zu den Rettungskapseln im vorderen Bereich hindurch und landet – zugegebenermaßen relativ unsanft als Außenpassagier auf dem harten Boden der Tatsachen, sprich eine zerstörte, auf den ersten Blick verwaist wirkende Zukunftsvision New Yorks. Doch ganz alleine ist er nicht: Die hübsche Flüchtige gibt sich als taffe Trip zu erkennen, die Monkey während dessen Ohnmacht mit einem Sklavenstirnband ausgestattet hat, wodurch sie natürlich schön aus dem Schneider ist. Von nun an ist Monkey nämlich gezwungen, ob gewollt oder nicht, das Leben der Grazie zu schützen, denn stirbt sie, so erlischt auch seine Lebenskraft. Entfernt er sich zu weit von Trip, tritt der gleiche unheilvolle Effekt ein. An einen Alleingang ist also von Anfang an nicht zu denken und so beginnt schließlich ein kampflastiges märchenhaftes Action-Abenteuer in einer erschreckend real wirkenden, postapokalyptischen Version einer Millionenmetropole, die hier von gefährlichen Roboter-Wesen bevölkert wird.
Wie schon im Vorgängerwerk legen die Entwickler großen Wert auf ein glaubwürdiges, real wirkendes Fantasy-Szenario mit einer herausstechenden Charakter-Präsentation, denn besonders die drei Hauptfiguren Monkey, Trip sowie der sichtlich eifersüchtige Pigsy, der sich erst später dem Duo anschließt, wachsen durch fantastische Mimik und Gestik sofort ans Herz, wirken in erster Linie gar nicht wie so viele andere gesichtslose Spielfiguren in Videospielen sondern tatsächlich cineastisch und vor allen Dingen sympathisch. Durchaus erwähnenswert ist die Mitwirkung von Andy Serkins – bekannt als Gollum aus Der Herr der Ringe – der hier per Motion-Capturing dem Hauptprotagonisten wahrhaftig lebendige Animationen einhaucht. Aber auch die hervorragende deutsche Sprachausgabe tut ihr übriges zu dieser wirklich gelungenen Präsentation, die das Action-Allerlei von anderen Produkten wohlwollend abhebt. Grafisch dagegen ist der Titel durchwachsen, denn trotz vieler optischer Highlights wirkt die Unreal Engine 3 langsam aber sicher etwas veraltet, was sich vor allen Dingen an häufig aufkommenden Ruckeleinlagen bemerkbar macht und auch den ein oder anderen langweiligen Abschnitt offenbart. Ein Manko, das der Stil und Detailverliebtheit aber im gesamten Spielverlauf überstrahlen.
Monkey steuern und schauen wir jedes Mal über die muskelbepackten Schultern, häufig an den schmalen, optisch nicht verfehlbaren Vorsprüngen der Ruinen hangelnd und springend ähnlich wie Nathan Drake aus Uncharted oder Lara Croft aus Tomb Raider. Großer Unterschied ist allerdings der geringe Anspruch eben jener Abschnitte, denn es genügt meistens grob in die Richtung des nächsten Haltepunktes zu steuern, Abstürze sind vom Programm überhaupt nicht vorgesehen. Belohnt werden diese einfachen, auflockernden Passagen aber mit schönen Umgebungsbildern, die die Kamera gut einfängt. Bei den Kämpfen funktioniert eben jene leider bei weitem nicht mehr so gut, wo sie etwas chaotisch, aber trotzdem weiterhin durchaus cineastisch wirkt. Während sich Trip versteckt oder auch wie Monkey selbst auf Wunsch für Ablenkung sorgt, werden Mechs mit allerlei schön anzusehenden Kombos in ihre Einzelteile zerlegt – mit allerlei aufrüstbarem Equipment wie Kampfstab oder Kanone versteht sich. Gepaart mit Schild, Deckungsmöglichkeiten, Ausweichmanövern sowie Konterangriffen geht das Kampfsystem angenehm flott von der Hand und lässt sich in vielerlei Hinsicht aufwerten. Eine angenehme Ausnahme stellt das Gegnerverhalten während der Scharmützel dar, denn anders als in so vielen Konkurrenztiteln warten diese meist in Gruppen auftretenden Blechheinis nicht einfach, bis sie an der Reihe sind sondern greifen tatsächlich im Rudel an ohne Rücksicht auf unsere Spielfigur. Da heißt es dann auch vorausschauend vorgehen, am besten bereits bevor die Kämpfe beginnen. Hilfreich bei dieser Vorgehensweise ist eine Art Libelle, mit der Trip die Spielumgebung nach Gegnern scannen kann. Nach einem wirklich ungewöhnlichen Ende mit einem ausschweifenden Kampf gegen den Endgegner ist Enslaved: Odyssey to the West nach etwa 12 Stunden beendet und hinterlässt einen rundum zufriedenen Spieler.
Fazit: Das Schicksal ist so hart zu solchen Titeln und auch Enslaved quält genau das, was bereits Perlen wie Beyond Good & Evil widerfuhr: überschaubare Resonanz, niedergeschlagen in den nackten Verkaufszahlen. So bleibt das Abenteuer wohl auch über diese Konsolengeneration hinaus in bester Erinnerung - zumindest für diejenigen, die es tatsächlich gespielt haben sollten.
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