Mittwoch, 1. September 2010

Lost Horizon (PC-Kritik)

Genre: Point & Click Adventure
Erschienen: 20. August 2010 für PC
Alterseinstufung: Freigegeben ab 12 Jahren

Das Point & Click Adventure Genre hatte in der ersten Jahreshälfte für seine Anhänger recht wenig zu bieten. Höchstens die gute Gruselgeschichte Black Sails und die deutsche Boxversion von Sam & Max 2: All-Zeit Bereit, deren Synchronisation aber vollkommen in die Hose ging. Wieder einmal nahen die Entwickler der erfolgreichen Geheimakte-Teile zur Rettung und präsentieren mit Lost Horizon das erste wirkliche Highlight 2010.

Anders als in Geheimakte Tunguska oder Geheimakte 2: Puritas Cordis verschlägt es den Spieler diesmal ins Hongkong des Jahres 1936. Der unehrenhaft aus der britischen Armee entlassene Fenton Paddock versucht irgendwie hier seine Brötchen zu verdienen, was aber nicht immer ganz reibungslos abläuft. Da findet er sich schon mal schnell in einer Holzkiste am Grund des Hafens wieder, mit der Tong Triade ist einfach nicht zu spaßen. An dieser Stelle könnte das – unweigerlich von Indiana Jones inspirierte – Abenteuer bereits enden. Lost Horizon fängt hier aber gerade erst an, denn die Nicklichkeiten mit den Schlägern aus Hongkong erweisen sich schnell als geringstes Problem. Vom Gouverneur wird Fenton angeheuert, seinen in Tibet verschollenen Freund Richard wieder zu finden.

Liest sich auf den ersten Blick etwas unspektakulär, aber auch die Nationalsozialisten unter der strengen Handhabe Gräfin Hannas von Hagenhild haben ihre schmutzigen Finger mit im Spiel um das Geheimnis des sagenumwobenen, mythologischen Ortes Shambala. Eine Reise auf verschiedenen Kontinenten beginnt, denn während der etwa zehnstündigen Spielzeit in sieben Kapiteln verschlägt es Fenton über die ehemalige britische Kronkolonie u.a. ins verschneite Tibet, Indien, die tatsächlich existierende Wewelsburg nahe Paderborn oder das Berlin während der Olympischen Spiele. Die Schauplätze gestalten sich dementsprechend abwechslungsreich, wobei viele Lokalitäten etwas klein ausgefallen sind, allerdings auch voll gestopft mit größtenteils erfreulich logischen Rätseln, die für erfahrene Abenteuerspieler vielleicht schon einen Tick zu leicht sein könnten.


In jedem Fall sind diese „Kopfnüsse“ aber auch sehr einfallsreich und witzig, schrecken auch nicht davor zurück beispielsweise einem kleinen Baby den Lutscher stehlen zu lassen. Ob hier das alte Sprichwort „Das ist leichter als einem Baby den Lutscher zu klauen“ aber wirklich greift, sei an dieser Stelle nicht verraten. Es lohnt sich auf jeden Fall immer, die Schauplätze komplett nach interessanten Objekten abzusuchen, diese erstmal in der Inventarleiste zu untersuchen und gegebenenfalls sofort miteinander zu kombinieren. So offenbart eine unscheinbare Flasche Champagner noch mehr nützliche Utensilien, als auf dem ersten Blick gedacht. Sehr hilfreich zugute kommt dabei der intelligente Mauszeiger, der in der Regel direkt anzeigt, ob man ein Objekt lediglich untersuchen oder gar nutzen kann – im besten Falle kombinieren kann. Wer einmal nicht weiter weiß, kann auch regen Gebrauch der Hotspot-Funktion machen, die jederzeit kurzzeitig alle interessanten Punkte der Lokalität als Lupe kennzeichnet. Da man sich hier aber bis auf eine Ausnahme – nämlich die etwas altbackenen, klobigen, detailarmen Figuren - wirklich sehr viele Mühe mit der Optik, sprich Örtlichkeiten mit stellenweise beeindruckenden Wettereffekten (besonders Tibet!) sowie Objekten, gemacht hat, dürfte eigentlich nichts übersehen werden.

Fenton ist aber nicht immer alleine unterwegs: Noch in Hongkong schließt sich die vorlaute Kim dem Haudegen an und begleitet ihn. Im letzten Kapitel des Spiels kommt ein weiterer spielbarer Charakter hinzu, wobei es auch nur hier ein motivierendes Zusammenspiel zwischen den Spielfiguren gibt. Die Abschnitte zwischen Fenton und Kim beschränken sich fast ausschließlich darauf, dass sich beide kurzzeitig Gegenstände zuschieben, etwa bei einer rasanten Verfolgungsjagd durch die Straßen Hongkongs.


Störend fällt an wenigen Stellen aber auf, dass feste Gegenstände, wie etwa ein Regal mit Regalfuß, erst nach ausgiebiger Untersuchung genutzt werden dürfen – hier war man sich während der Entwicklung wohl nicht ganz einig, denn dies kommt nur extrem selten vor, fällt aber auf. Des Weiteren hätten sich einige Spieler sicherlich auch über das ein oder andere Dialogrätsel gefreut, die aber leider nicht vorhanden sind, so klickt man also alle verfügbaren Gespräche durch, die sich besonders durch den „Erklärbär“ Fenton schon mal etwas in die Länge ziehen können, denn er besitzt die Charaktereigenschaft, groß und lang zu erklären, warum er das denn jetzt machen kann oder eben nicht.

Letztendlich ist Lost Horizon ein wirklich gelungenes Adventure, das im Spieljahr 2010 wohl die Genre-Referenz darstellen wird. Die Geschichte ist gut durchdacht, nicht nur durch rasante Zwischensequenzen in Ingame-Grafik oder Renderfilmchen von Klassikern wie Indiana Jones inspiriert worden, hat aber auch ein paar nette eigene Ideen, größtenteils clevere, nachvollziehbare Rätsel, eine angenehm lange Spielzeit, eine professionelle Sprachausgabe (die an wenigen Stellen etwas abgehackt wirkt). Darüber hinaus werden verschiedene Enden geboten, die sich allesamt im Bonusmenü noch mal ausprobieren lassen, denn dies richtet sich an der letzten spielbaren Sequenz.


Hervorhebenswert sind auch Extras und Boni, die Lost Horizon zu bieten hat. So ist die Verpackung sehr hochwertig, ein unumgänglicher Blickfang in jeder Videospielsammlung in der Masse an langweiligen DVD-Boxen, erinnert durch das schön gestaltete Cover an einen guten Abenteuerfilm. Aber auch der Inhalt weiß zu überzeugen: In der Flappe lässt sich das Flugzeug aufstellen, der Datenträger selber ist wie eine Schallplatte gestaltet. Der absolute Oberhammer wird aber im Bonusbereich des Hauptmenüs offenbart, denn neben der Ankündigung des nächsten Abenteuerspiels der Entwickler in Form eines Puzzles findet sich auch der erste spielbare Prototyp aus dem Jahr 2008 hier, den man damals zu Demonstrationszwecken dem Publisher als auch Messepublikum präsentierte. Hierdurch wird die Spielzeit noch mal angenehm verlängert.

Apropos: Die Entwickler haben sich sicherlich auch von den beiden älteren Filmen „In Fesseln von Shangri-La“ von 1937 und „Der verlorene Horizont“ von 1973 inspirieren lassen. Originaltitel der beiden Streifen: Lost Horizon!

Wertung: 8,6/10

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