Donnerstag, 9. September 2010

Mafia 2 (PC-Review)


Genre: 3rd-Person-Action
Erschienen: 27. August 2010 für PC, PS3 und Xbox360
Alterseinstufung: Keine Jugendfreigabe

Vorausschauend auf das umfangreiche Spielejahr 2010 war es enorm schwierig, einen potenziellen Favoriten rauszupicken. Anfang des Jahres nannte ich dahingehend fünf Titel: Battlefield Bad Company 2, Metro 2033, Darksiders sowie God of War 3. Allesamt erschienen noch rund um das erste Quartal, konnten ihre hochgesteckten Erwartungen auch erfüllen oder gar übertreffen. Dann kam erstmal lange Zeit wenig, bis dann Ende August endlich der fünfte Hoffnungsträger erschien: Mafia 2! Was aber nützt die freudigste Vorausschau, wenn es sich rückblickend die wohl größte Enttäuschung des Videospieljahrgangs entpuppt?

Bevor es aber wirklich ans Eingemachte geht, folgt an dieser frühen Stelle eine Rückschau, warum Mafia 2 letztendlich so hohe Erwartungen schürte: Heute schier unvorstellbar, steckte das Genre der so genannten Open-World-Action-Spiele noch in den Kinderschuhen. Gerade hatte man mit GTA 3 den ersten dreidimensionalen Meilenstein geschaffen, in einer der Wirklichkeit fast schon erschreckend nahen, offenen Spielwelt Aufträge - vornehmlich krimineller Natur - anzunehmen und auch wenig zimperlich auszuführen. Was also mit Grand Theft Auto 3 den Durchbruch schaffte, garnierte das 2002 erschienene Mafia der tschechischen Entwickler von Illusion Softworks (Vietcong, Hidden & Dangerous) dies obendrein noch mit einer epischen Geschichte, die sich selbst vor Filmklassikern wie Der Pate oder Goodfellas nicht zu verstecken brauchte. Dieser Erfolg setzte einen wahren Trend in Gang, dreidimensionale Open-World-Action-Titel wurden wie am Fließband produziert, teilweise die Qualität der beiden Vorzeige-Produktionen noch übertreffend (GTA Vice City, S.T.A.L.K.E.R., Infamous), in der Regel aber deutlich unterbietend (Far Cry 2, Der Pate, Red Faction: Guerilla, Prototype), mal mit deutlich kleinerer Spielwelt (Beyond Good & Evil), mal mit deutlich größerer Fläche (Just Cause 2).

In acht Jahren ist also wirklich viel passiert, Entwickler Illusion Softworks wurde mittlerweile zu 2K Czech und es gehört längst zur normalen Vorgehensweise, die große Spielwelt relativ leer, aber für den vollen Preis, in den Handel zu bringen und erst nach und nach mit kostenpflichtigem Download-Content zu füllen. Mafia 2 macht das im ganz großen Umfang und ist in dieser Hinsicht ein bislang das vielleicht Negativbeispiel schlecht hin, denn fernab den 15 Kapiteln der Hauptgeschichte gibt es nichts, aber auch wirklich gar nichts für den Spieler zu tun. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, denn Passanten können verprügelt, Klamottenläden auf ihre geringhaltige Auswahl durchstöbert, Waffenläden obgleich dem immer vorhandenen sowie völlig ausreichendem Besitzes aufgesucht, Telefonzellen oder Werkstätten für die Flucht vor größtenteils vollkommen inkonsequenten Ordnungshütern genutzt, gestohlene Autos (die übrigens an Ort und Stelle kurze Zeit später am Tatort wieder so bereitstehen, als sei nichts geschehen) für Geld verschrottet werden. Aufgesammelte Playboy-Magazine schalten harmlose Nacktbilder aus der Zeit frei, wobei Mafia 2 sogar davon ausgeht, dass es die Printausgabe bereits seit 1945 geben mag. Eine kurze Recherche ergibt, dass dies aber erst seit Ende 1953 der Fall ist und wirkt ein wenig komisch, wenn man den Zeitrahmen der Handlung von 1945 bis 1951 und den durchaus realistischen Anspruch bedenkt. Nebenmissionen werden also erst per kostspieligen Download-Content nachgereicht, der erste unter dem Namen Jimmy´s Vendetta umfasst 30 solcher Aufträge und erschien bereits 10 Tage nach der Veröffentlichung von Mafia 2.

Wer also sein Exemplar von Mafia 2 startet, wird sich also lediglich mit den 15 Kapiteln der erzählten Hauptgeschichte auseinandersetzen, die geübte Spieler bereits in unter zehn Stunden absolviert haben werden, da auch die mehr oder weniger gelungenen Missionen streng linear ablaufen. Diese Linearität bezieht sich aber tatsächlich nur auf die Auftragssequenzen, der Weg dahin steht aber jedem offen, ist aber per Fahrzeug schwermütig, langweilig, ereignislos und dient vor allen Dingen noch der Streckung der kurzen Spielzeit mit nur sehr geringem Wiederspielwert.

Die Geschichte um Vito Scaletta wird dabei Kinoreif präsentiert, reicht aber nur selten an die Klasse des Vorgängers heran, hat bei weitem nicht die Charaktertiefe zu bieten. Hier sticht eigentlich nur Partner und Freund Joe heraus, ansonsten gibt es keinen wirklich dominanten Don Salieri, sondern in dieser Hinsicht nur drei Sesselpupser und durchschaubare Marionetten ihrer. Als verletzter Soldat kehrt Vito 1945 nach Empire Bay City zurück, wo er mit weiteren Problemen zu kämpfen hat. Sein verstorbener Vater hat einen Haufen Schulden angesammelt, die seine Familie nicht abbezahlen kann. Durch Joe gelangt er schließlich in lukrative, kriminelle Mafia-Kreise, mit denen sich leicht Geld machen lässt, ihn aber auch schneller als gedacht hinter Gittern bringen, wo er sechs Jahre seines Lebens absitzt um 1951 wieder die gleichen krummen Dinger zu drehen. Es entwickelt sich eine recht wendungsreiche, gut erzählte Geschichte aus Verrat, zwielichtigen Charakteren und einer Menge Schießereien. Alles in allem also für eine Mafia-Thematik sehr leichte Kost, wie ein Teller wohlduftender Spaghetti mit Tomatensauce, dem die entscheidende Würze fehlt und es einem am Ende unweigerlich wegen vieler Fehler beim Kochen hochkommt. Die Rede ist hier tatsächlich von der Endsequenz des Spiels, welche unbefriedigender nicht hätte sein können.

Das Strickmuster der Missionen hat man schon nach kurzer Zeit durchschaut: Vito wacht in einer seiner wechselnden Wohnungen, entweder klingelt es an Tür oder Telefon, Vito zieht sich etwas über, beschafft sich entweder aus Garage oder per Diebstahl (Scheibe einschlagen oder anspruchsloses Dietrich-Minispielchen in extrem vereinfachter Thief- bzw. Splinter-Cell-Stil) einen fahrbaren Untersatz, fährt mehr oder weniger quer durch die Stadt, sammelt Kollegen ein, fährt letztendlich zum Einsatzort, das ordentliche Deckungssystem nutzend wird per Schießprügel aufgeräumt (wobei merklich eine freie Sprungtaste fehlt), die Kollegen wieder zu Hause oder beim Arzt abgesetzt, dann selbst nach Hause fahren und letztendlich ins Bett schlafen legen um das nächste Kapitel zu laden, das gleiche Spiel noch mal, mit der Ausnahme, dass diesmal überhaupt nichts vom Spieler abverlangt wird sondern sich alles sich auf Dialoge während einer Autofahrt beschränkt, eine Leiche im Kofferraum entsorgt und wieder nach Hause fährt…

Das wird zwar alles sehr ansprechend in gerenderten oder Ingame-Zwischensequenzen und sehr gut vertonter deutscher Sprachausgabe präsentiert, spielt sich aber streckenweise wie ein eintöniger Arbeitsalltag am Fließband. Es gibt tatsächlich nur wenige Aufträge, die herausstechen, etwa der von Prison Break inspirierte Gefängnisabschnitt, der aber, nimmt man den abgedeckten Zeitraum von sechs Jahren als Anlass, viel zu kurz abgehandelt wird. Hier wird reger Gebrauch vom eingängigen, aber auch viel zu simplen Nahkampfsystem gemacht: Leichter Schlag, harter Schlag und Deckung. Mehr als den effektiven Konterangriff und ein einfaches Gespür für offensichtliches Timinig wird hier nicht abverlangt. Das Prädikat „dem Vorgänger gerecht“ verdienen aber lediglich die Abschnitte im Schlachthof und der sehr gelungene Auftrag im Hochhaus. Gegen Ende des Spiels wird übrigens noch eine entscheidende Szene des Vorgängers aufgegriffen, die auch zum geschockten Schmunzeln einlädt, leider auch viel zu schnell und emotionslos abgehandelt wird. Es fehlen einfach kongeniale Momente des Vorgängers, etwa wirklich fordernde Verfolgungsjagden mit der Polizei, die sich schon nach wenigen Sekundenbruchteilen verlaufen, zudem Geisterfahrten per Lichthupe regelt, bei Regelverstößen abseits von Geschwindigkeitsdelikten immer ein Auge zudrückt, in der Summe einfach nicht ernst genommen werden kann.

Trotzdem kann man beim Durchspielen eine Menge Spaß haben, denn die Entwickler haben trotz aller Mängel auch etwas richtig gut gemacht. Empire Bay gehört wohl zu den schönsten Fassaden (mehr ist sie nicht) der Videospielgeschichte, denn grafisch ist der Titel über alle Zweifel erhaben: Wunderschöne Gebäude, enorme Weitsicht, tolles Wasser und fantastische Wetter-, Feuer- und Waffeneffekte, gekonnte Licht- und Schatteneffekte, atmosphärische Spiegelungen. Eine liebevoll gestaltete Stadt, in der man sich frei bewegen kann, zwar bevölkert von abwechslungsarmen Passenten-Gesichtern, dafür dicht befahren von unterschiedlichen Fahrzeugen der 40er und 50er Jahre, die nicht nur schön anzusehen sind, sondern auch ein nachvollziehbares Schadensmodell besitzen, an denen sich nicht nur Kratzer, Dellen, Schmutz, Dreck und Schnee sammeln, sich obendrein recht unterschiedlich fahren. Das Sahnehäubschen sind da noch die röhrenden Motorensounds.

Technisch fallen die Konsolenversionen für Xbox360 sowie PS3 der erhältlichen PC-Version deutlich ab. An eine deutlich geringere Auflösung hat man sich ja bei Multiplattformtiteln nach und nach gewöhnt, die komplett fehlende Grasdarstellung des Sony-Auftritts mit unansehnlichen Zeilenverschiebungen, die auf der Xbox360 sogar noch penetranter auftritt. Wer also die Möglichkeit hat zwischen den Versionen wählen zu können, sollte nicht nur wegen des günstigeren Preises zur PC-Version greifen, zumal die Grafikoptionen sehr gut regelbar sind, darüber hinaus auch sehenswerte Physikeffekte zu bieten hat.

Fazit: Mafia 2 war nicht nur aufgrund seines Vorgängers einer der ambitioniertesten Titel im Videospieljahr 2010, schafft es aber nicht aus dem lediglich als Fassade dienende Empire Bay einen ähnlichen Meilenstein zu schaffen. Die technischen Voraussetzungen sind durchaus gegeben. Die größte Enttäuschung seit Operation Flashpoint: Dragon Rising, mit dem es sich auf einem Niveau bewegt.

Wertung: 6,7/10

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