Genre: 3rd-Person-Shooter
Alterseinstufung: USK ab 16
Neben Duke Nukem war wohl Alan Wake der am längsten in der
Warteschleife feststeckende Titel. Doch kaum schien die Verstopfung durch den
blonden Macho-Prototypen behoben, da drängte auch schon Remedy´s um etliche
vollmundig angekündigte Features entschlackter Videospiel-Thriller auf die
Festplatten der PC-Spieler.
Um die lange Odyssee in all ihrer Bandbreite zu begreifen
muss man bei der Recherche in den Nachrichten-Archiven ganz weit
zurückblättern. Und tatsächlich findet sich noch vor der E3-Videospielmesse
2005 die allererste Meldung bezüglich einer offiziellen Ankündigung inklusive
kurzem Teaser. Eine erste
vorzeigbare Präsentation folgte dann während der Messe und die Entwickler
verrieten einige interessante Fakten sowie Ambitionen des neuen Projekts. So
viel sei vorweg gesagt: Die Erfinder von Max Payne mussten während der langen
Entwicklungszeit einiges davon verwerfen. Der Informationsfluss geriet ins
Stocken, floss aber erst wieder nachdem sich Branchenriese Microsoft nicht
gerade Einflusslos dazwischenschaltete. Konsequenz und Botschaft sollten ein
knappes Jahr nach der Ankündigung eindeutig sein: Alan Wake erscheint für
Xbox360 und soll auf dem PC das damals noch nicht erschienene Betriebssystem Windows
Vista als Pflichtprogramm voraussetzen. Fast dreieinhalb Jahre lang passierte
dann so gut wie gar nichts, die gnadenlos gefloppte Vista-Phase zog genauso am Projekt
vorbei wie Spielemesse um Spielemesse. Außer Gerüchten oder vereinzelten
Bildern wurde nicht mehr viel freigegeben bis dann endgültig das
Schreckensszenario für PC-Spieler bittere Realität wurde, denn Microsoft
verkündete wiederum neue Pläne.
So wurden die Arbeiten an der PC-Version eingestellt und
fortan primär nur noch für die Xbox360 weiterentwickelt um im Konkurrenzkampf mit
Sony´s Playstation 3 einen komplett neuen Exklusivtitel ins Rennen zu schicken.
Doch Microsoft´s Plan ging nach der Veröffentlichung des Hauptspiels und zwei
Zusatzepisoden bis Ende 2010 nicht auf, trotz überwiegend guter aber eben nicht
herausragender Wertungen blieben so auch Verkaufszahlen in Sphären eines Call
of Duty oder Halo verwehrt. Und Sony´s Playstation 3 ließ die Xbox360 schon
seit geraumer Zeit in punkto Exklusivtitel kein Land mehr sehen, Ausnahmespiele
wie Uncharted 2, God of War 3 oder Heavy Rain standen einfach höher im Kurs. Immer
wieder aufkeimende Hoffnungen einer späten PC-Version wurden lapidar
abgestritten bis schließlich Ende 2011 doch noch eine Ankündigung erfolgte und als
optimierte Fassung inklusive beider Download-Episoden Anfang 2012 nach ihren
langen anstrengenden Weg auf heimische Festplatten fand. Doch hat sich das
lange Warten gelohnt? Das werden nach diesem ausführlichen Entwicklungsbericht
des Spiels die folgenden Zeilen preisgeben.
Als Freier Redakteur kann ich zumindest oberflächlich gut
nachvollziehen was Spielfigur und Thriller-Roman-Autor Alan Wake durchmachen
muss: Schlafstörungen und Schreibblockaden. Lediglich die Albträume sind ein
ganz anderes Kaliber, denn diese scheinen immer realer zu werden. Seine Frau Alice
kann ihn nach einigem Hin und Her dazu bewegen das auf den ersten Blick
beschauliche Örtchen Bright Falls für einen erholsamen Urlaub aufzusuchen. Alan
wird als Top-Schriftsteller natürlich überall erkannt, sein Agent und bester
Freund Barry kann ihn sowieso nicht in Frieden lassen und so erscheint es als
wirklich kluge Idee sich in ein kleines abgelegenes Häuschen zurückzuziehen.
Lästige Fans sind jedoch gemessen an dem was dann passiert noch von harmloser
Natur, Albtraum und Wirklichkeit verschmelzen nun vollständig ineinander und
scheinen selbst mit klarem Menschenverstand nicht mehr auseinanderzuhalten. Als
ich vor einigen Jahren die Fernseh-Serie Twin Peaks auf DVD nachholte konnte,
ahnte ich noch nicht soviel davon in Alan Wake fast haargenau wieder zu finden
– seien es sehr ähnlich abgedrehte Charaktere, bekannte Lokalitäten wie das
Diner, Hotel, Sheriff-Station, Sägewerk, usw. oder auch einige im Spiel
versteckten oder ganz offensichtlichen Extras, die man gar nicht übersehen
kann. Vom Spielablauf her passt es dann auch, dass die Abschnitte wie TV-Serien
mit Abspann sowie Zusammenfassung der vorherigen Ereignisse aufgebaut sind. Auch
John Carpenter´s Die Mächte des Wahnsinns hatte Vorbildcharakter – Alan Wake
hat sich einige surreale Eigenheiten und Stärken abgeschaut aber offenbart
während der Spielzeit von etwa 8 bis 10 Stunden größere Schwächen:
Abnutzungserscheinungen, deutlich schwächere Figuren und nicht zuletzt eine
immer schlimmer werdende Story-Verwirrung die den angepeilten Kultstatus der
großen Vorbilder verwehren und sich bis zum Ende hin auch nicht mehr so richtig
entflechten können. Wer das Hintergrundwissen der Vorlagen besitzt dürfte jedoch
deutlich mehr Spaß mit Alan Wake haben.
Spieltechnisch ist aus dem einstmals ambitionierten Projekt
mit so vielen angekündigten Möglichkeiten ein relativ geradliniger
3rd-Person-Shooter mit Taschenlampe geworden. Die ist nämlich das wichtigste
Utensil in den überwiegend bei dunkler Nacht präsentierten Schauplätzen. Helle
Lichtquellen vertragen die düsteren Widersacher nämlich überhaupt nicht und
kommen neben der Taschenlampe auch aus Fackeln, Blendgranaten, Leuchtpisolen, einschaltbaren
Generatoren oder den temporär verfügbaren Laternen, die als automatische Speicherpunkte
dienen. Anfangs schafft es Alan Wake noch ziemlich gut auch mit geschickt platzierten
Schockmomenten, Skriptsequenzen und der überzeugenden Geräuschkulisse ein
durchaus gruselig-bedrohliches Ambiente zu erschaffen. Durch den weiteren
Spielverlauf, der unter starken Abnutzungserscheinungen leidet, wechseln sich
später aber immer mehr anspruchslose Kurzweil mit Langweile ab. Im Normalfall
führt folgende Vorgehensweise ohnehin eigentlich immer zum Erfolg: Gegner mit
der Taschenlampe anvisieren und so die „Schutzaura“ schwächen um dann
schließlich mit einem konventionellen Waffenarsenal wie beispielsweise Gewehr,
Schrotflinte oder Revolver gezielte Schüsse setzen. Das funktioniert auch auf
dem PC per Gamepad trotz nervigem regelmäßiger Perspektivwechsel von links nach
rechts und umgekehrt ungleich besser - zu schwammig reagiert die
Maus-/Tastatur-Kombination auf Eingaben. Grusel sowie Horror weichen durch
immer häufiger auftauchende Standardgegner, Vögelschwärme oder Poltergeister
zum soliden Action-Shooter mit seltenen aber dafür umso mehr gelungenen Höhepunkten.
Auffindbare Manuskriptseiten sind zwar spannend zu lesen, nehmen jedoch in der
Regel kommende Ereignisse bereits vorweg. Dadurch spielt sich der wahre Horror
und Grusel nicht selten nur im Kopf ab während das tatsächliche Ereignis dann
eher unaufregend ist. Zusätzlich fügen sich noch optional einschaltbare, unterhaltsame
Fernseh- und Radiosendungen ins Spielgeschehen ein, die typischen Remedy-Charme
versprühen. Genaues Hinschauen und –hören lohnt auch wieder bei diesem Spiel
der finnischen Entwickler. Das Hauptspiel verläuft nach diesem Muster in 8
Episoden.
Ziemlich überraschend zeigt sich nach einer derartig langen
Entwicklungszeit der sehr gute technische Eindruck. Grafisch macht das Spiel
auf dem PC dank scharfer Texturen, atmosphärischer Umgebungseffekte sowie einem
fantastischen Zusammenspiel von Licht und Schatten noch einiges her, läuft
zudem auch auf älteren Computern dank einstellbarer Optionen sehr flüssig. Die
etwas ungelenken Animationen trüben den Gesamteindruck nur wenig. Vor allen
Dingen in den ruhigen Momenten, etwa während gemütlicher Autofahrten zum
Einsatzort bei Tag erkennt und erahnt man neben tollen Postkartenausblicken
noch Fragmente der einst ambitionierten aber doch so leeren Spielwelt. Gestört hat
mich die Linearität eigentlich kaum, was man von Teilen der deutschen
Synchronisation leider nicht behaupten kann. Verdient der Großteil der Figuren
noch das zweifelhafte Prädikat „okay“, ist gerade die deutsche Stimme der
Hauptspielfigur überaus schwach. Wer also die Wahl hat entscheidet sich nicht
für die Qual sondern die Wahl und stellt direkt auf den englischen Originalton,
ansonsten lösen sich einige Atmosphärepunkte in Dunkelheit auf. Zum Wohle des
Einzelspielererlebnisses haben die Entwickler bewusst auf
Mehrspielerscharmützel verzichtet und lieber ihre Kreativkräfte im
Veröffentlichungs-Vorfeld in englischsprachige Realfilm-Episoden gesteckt.
Diese findet man u.a. hier.
Fazit: Was lange währt wird endlich gut? Ja, auch der gute
aber eben nicht sehr gute Alan Wake. Von den hellsten Lichtern am Actionhimmel
wird Remedy´s Titel weit überstrahlt, stumpft zu schnell und zu stark ab. Als
solider, düsterer 3rd-Person-Shooter aber durchaus spielenswert.
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