Dienstag, 28. August 2012

Alan Wake (PC Review)


Erschienen: 16. Februar 2012 für PC, 14. Mai 2010 für Xbox360
Genre: 3rd-Person-Shooter
Alterseinstufung: USK ab 16

Neben Duke Nukem war wohl Alan Wake der am längsten in der Warteschleife feststeckende Titel. Doch kaum schien die Verstopfung durch den blonden Macho-Prototypen behoben, da drängte auch schon Remedy´s um etliche vollmundig angekündigte Features entschlackter Videospiel-Thriller auf die Festplatten der PC-Spieler.


Um die lange Odyssee in all ihrer Bandbreite zu begreifen muss man bei der Recherche in den Nachrichten-Archiven ganz weit zurückblättern. Und tatsächlich findet sich noch vor der E3-Videospielmesse 2005 die allererste Meldung bezüglich einer offiziellen Ankündigung inklusive kurzem Teaser. Eine erste vorzeigbare Präsentation folgte dann während der Messe und die Entwickler verrieten einige interessante Fakten sowie Ambitionen des neuen Projekts. So viel sei vorweg gesagt: Die Erfinder von Max Payne mussten während der langen Entwicklungszeit einiges davon verwerfen. Der Informationsfluss geriet ins Stocken, floss aber erst wieder nachdem sich Branchenriese Microsoft nicht gerade Einflusslos dazwischenschaltete. Konsequenz und Botschaft sollten ein knappes Jahr nach der Ankündigung eindeutig sein: Alan Wake erscheint für Xbox360 und soll auf dem PC das damals noch nicht erschienene Betriebssystem Windows Vista als Pflichtprogramm voraussetzen. Fast dreieinhalb Jahre lang passierte dann so gut wie gar nichts, die gnadenlos gefloppte Vista-Phase zog genauso am Projekt vorbei wie Spielemesse um Spielemesse. Außer Gerüchten oder vereinzelten Bildern wurde nicht mehr viel freigegeben bis dann endgültig das Schreckensszenario für PC-Spieler bittere Realität wurde, denn Microsoft verkündete wiederum neue Pläne.


So wurden die Arbeiten an der PC-Version eingestellt und fortan primär nur noch für die Xbox360 weiterentwickelt um im Konkurrenzkampf mit Sony´s Playstation 3 einen komplett neuen Exklusivtitel ins Rennen zu schicken. Doch Microsoft´s Plan ging nach der Veröffentlichung des Hauptspiels und zwei Zusatzepisoden bis Ende 2010 nicht auf, trotz überwiegend guter aber eben nicht herausragender Wertungen blieben so auch Verkaufszahlen in Sphären eines Call of Duty oder Halo verwehrt. Und Sony´s Playstation 3 ließ die Xbox360 schon seit geraumer Zeit in punkto Exklusivtitel kein Land mehr sehen, Ausnahmespiele wie Uncharted 2, God of War 3 oder Heavy Rain standen einfach höher im Kurs. Immer wieder aufkeimende Hoffnungen einer späten PC-Version wurden lapidar abgestritten bis schließlich Ende 2011 doch noch eine Ankündigung erfolgte und als optimierte Fassung inklusive beider Download-Episoden Anfang 2012 nach ihren langen anstrengenden Weg auf heimische Festplatten fand. Doch hat sich das lange Warten gelohnt? Das werden nach diesem ausführlichen Entwicklungsbericht des Spiels die folgenden Zeilen preisgeben.


Als Freier Redakteur kann ich zumindest oberflächlich gut nachvollziehen was Spielfigur und Thriller-Roman-Autor Alan Wake durchmachen muss: Schlafstörungen und Schreibblockaden. Lediglich die Albträume sind ein ganz anderes Kaliber, denn diese scheinen immer realer zu werden. Seine Frau Alice kann ihn nach einigem Hin und Her dazu bewegen das auf den ersten Blick beschauliche Örtchen Bright Falls für einen erholsamen Urlaub aufzusuchen. Alan wird als Top-Schriftsteller natürlich überall erkannt, sein Agent und bester Freund Barry kann ihn sowieso nicht in Frieden lassen und so erscheint es als wirklich kluge Idee sich in ein kleines abgelegenes Häuschen zurückzuziehen. Lästige Fans sind jedoch gemessen an dem was dann passiert noch von harmloser Natur, Albtraum und Wirklichkeit verschmelzen nun vollständig ineinander und scheinen selbst mit klarem Menschenverstand nicht mehr auseinanderzuhalten. Als ich vor einigen Jahren die Fernseh-Serie Twin Peaks auf DVD nachholte konnte, ahnte ich noch nicht soviel davon in Alan Wake fast haargenau wieder zu finden – seien es sehr ähnlich abgedrehte Charaktere, bekannte Lokalitäten wie das Diner, Hotel, Sheriff-Station, Sägewerk, usw. oder auch einige im Spiel versteckten oder ganz offensichtlichen Extras, die man gar nicht übersehen kann. Vom Spielablauf her passt es dann auch, dass die Abschnitte wie TV-Serien mit Abspann sowie Zusammenfassung der vorherigen Ereignisse aufgebaut sind. Auch John Carpenter´s Die Mächte des Wahnsinns hatte Vorbildcharakter – Alan Wake hat sich einige surreale Eigenheiten und Stärken abgeschaut aber offenbart während der Spielzeit von etwa 8 bis 10 Stunden größere Schwächen: Abnutzungserscheinungen, deutlich schwächere Figuren und nicht zuletzt eine immer schlimmer werdende Story-Verwirrung die den angepeilten Kultstatus der großen Vorbilder verwehren und sich bis zum Ende hin auch nicht mehr so richtig entflechten können. Wer das Hintergrundwissen der Vorlagen besitzt dürfte jedoch deutlich mehr Spaß mit Alan Wake haben.


Spieltechnisch ist aus dem einstmals ambitionierten Projekt mit so vielen angekündigten Möglichkeiten ein relativ geradliniger 3rd-Person-Shooter mit Taschenlampe geworden. Die ist nämlich das wichtigste Utensil in den überwiegend bei dunkler Nacht präsentierten Schauplätzen. Helle Lichtquellen vertragen die düsteren Widersacher nämlich überhaupt nicht und kommen neben der Taschenlampe auch aus Fackeln, Blendgranaten, Leuchtpisolen, einschaltbaren Generatoren oder den temporär verfügbaren Laternen, die als automatische Speicherpunkte dienen. Anfangs schafft es Alan Wake noch ziemlich gut auch mit geschickt platzierten Schockmomenten, Skriptsequenzen und der überzeugenden Geräuschkulisse ein durchaus gruselig-bedrohliches Ambiente zu erschaffen. Durch den weiteren Spielverlauf, der unter starken Abnutzungserscheinungen leidet, wechseln sich später aber immer mehr anspruchslose Kurzweil mit Langweile ab. Im Normalfall führt folgende Vorgehensweise ohnehin eigentlich immer zum Erfolg: Gegner mit der Taschenlampe anvisieren und so die „Schutzaura“ schwächen um dann schließlich mit einem konventionellen Waffenarsenal wie beispielsweise Gewehr, Schrotflinte oder Revolver gezielte Schüsse setzen. Das funktioniert auch auf dem PC per Gamepad trotz nervigem regelmäßiger Perspektivwechsel von links nach rechts und umgekehrt ungleich besser - zu schwammig reagiert die Maus-/Tastatur-Kombination auf Eingaben. Grusel sowie Horror weichen durch immer häufiger auftauchende Standardgegner, Vögelschwärme oder Poltergeister zum soliden Action-Shooter mit seltenen aber dafür umso mehr gelungenen Höhepunkten. Auffindbare Manuskriptseiten sind zwar spannend zu lesen, nehmen jedoch in der Regel kommende Ereignisse bereits vorweg. Dadurch spielt sich der wahre Horror und Grusel nicht selten nur im Kopf ab während das tatsächliche Ereignis dann eher unaufregend ist. Zusätzlich fügen sich noch optional einschaltbare, unterhaltsame Fernseh- und Radiosendungen ins Spielgeschehen ein, die typischen Remedy-Charme versprühen. Genaues Hinschauen und –hören lohnt auch wieder bei diesem Spiel der finnischen Entwickler. Das Hauptspiel verläuft nach diesem Muster in 8 Episoden.


Ziemlich überraschend zeigt sich nach einer derartig langen Entwicklungszeit der sehr gute technische Eindruck. Grafisch macht das Spiel auf dem PC dank scharfer Texturen, atmosphärischer Umgebungseffekte sowie einem fantastischen Zusammenspiel von Licht und Schatten noch einiges her, läuft zudem auch auf älteren Computern dank einstellbarer Optionen sehr flüssig. Die etwas ungelenken Animationen trüben den Gesamteindruck nur wenig. Vor allen Dingen in den ruhigen Momenten, etwa während gemütlicher Autofahrten zum Einsatzort bei Tag erkennt und erahnt man neben tollen Postkartenausblicken noch Fragmente der einst ambitionierten aber doch so leeren Spielwelt. Gestört hat mich die Linearität eigentlich kaum, was man von Teilen der deutschen Synchronisation leider nicht behaupten kann. Verdient der Großteil der Figuren noch das zweifelhafte Prädikat „okay“, ist gerade die deutsche Stimme der Hauptspielfigur überaus schwach. Wer also die Wahl hat entscheidet sich nicht für die Qual sondern die Wahl und stellt direkt auf den englischen Originalton, ansonsten lösen sich einige Atmosphärepunkte in Dunkelheit auf. Zum Wohle des Einzelspielererlebnisses haben die Entwickler bewusst auf Mehrspielerscharmützel verzichtet und lieber ihre Kreativkräfte im Veröffentlichungs-Vorfeld in englischsprachige Realfilm-Episoden gesteckt. Diese findet man u.a. hier.


Fazit: Was lange währt wird endlich gut? Ja, auch der gute aber eben nicht sehr gute Alan Wake. Von den hellsten Lichtern am Actionhimmel wird Remedy´s Titel weit überstrahlt, stumpft zu schnell und zu stark ab. Als solider, düsterer 3rd-Person-Shooter aber durchaus spielenswert.



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